Ethische Wildlife-Fotografie
Für viele Menschen ist die Aufnahme des perfekten Wildtierfotos eine Obsession. Vielleicht liegt es an unserer inhärenten Trennung von der Natur, dass wir uns gezwungen fühlen, diese intimen Momente festzuhalten und uns an ihrer visuellen Flucht zu erfreuen?
Hobby- sowie Profifotografen gleichermaßen streben oftmals nach dem perfekten Tierfoto. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, und nirgendwo trifft dies mehr zu als im Bereich Wildlife-Fotografie. Ein Tier kann nicht für sich selbst sprechen, aber seine Mimik, sein Verhalten und seine Körpersprache können mehr Emotionen ausdrücken als wir in unserer Sprache beschreiben können. Dank der Fortschritte der modernen Technologie ist heute fast jeder in der Lage, stimmungsvolle und inspirierende Bilder zu kreieren, sei es mit Handy, Tablet oder Spiegelreflex-Kamera.
Wenn uns die Geschichte der Menschheit jedoch etwas gelehrt hat, dann die Tatsache, dass wir dazu neigen, Ressourcen übermäßig zu nutzen, ohne dabei das große Ganze im Auge zu behalten. Respekt und ethische Verantwortung sind daher die zwei Schlüsselaspekte.
Natürlichkeit und Authentizität
Bei der Wildlife-Fotografie sollte es darum gehen, die Natur in ihrer ursprünglichsten Form einzufangen. In einer Welt, die von Technologie und künstlichen Erlebnissen beherrscht wird, ist die Darstellung natürlichen Verhaltens umso bedeutsamer. Ob mannun das Glück hat, ein Löwenrudel zu fotografieren, das in der afrikanischen Savanne um einen Kadaver kämpft, oder die zarten Flügel einer Libelle, die über dem Teich im Garten schwebt – es geht um Natürlichkeit und Authentizität.
Kernkompetenz Geduld
Eine der wichtigsten Eigenschaften für das Fotografieren von Wildtieren: Geduld. Fotografen mit Ernsthaftigkeit und Leidenschaft können Tage, Wochen oder sogar Monate auf das perfekte Bild warten. Leider hat nicht jeder den Luxus so viel Zeit zu investieren, und es ist obendrein viel zu einfach, die Wildnis nach unseren Bedürfnissen zu manipulieren.
Dies führt zu einer ganzen Reihe ethischerFallstricke, da die Tendenz dazu besteht, das zu fotografieren, was wir wollen, und nicht das, was die Natur uns bietet.
Das Verhalten von Tieren verstehen
Für den passionierten Tierfotografen ist die Kenntnis über das Verhalten von Tieren eine der zentralsten Fähigkeiten. Wer sein Motiv versteht, hat viel bessere Chancen, Bewegungen zu antizipieren. Das wiederum verringert den Stress für das Tier und ermöglicht es dem Fotografierenden, sich für die bestmögliche Aufnahme zu positionieren.
Warten statt folgen
Die meisten Raubtiere beispielsweise suchen nach dem Fressen eine Trinkstelle auf. Dies ermöglicht unglaubliche Aufnahmen von Spiegelungen im Wasser. Wer sich in einem Gebiet gut auskennt, positioniert sich am besten am nächstgelegenen Wasserlochund wartet. Statt dem Tier hinterherzufahren und eine Stresssituation hervorzurufen, befindet man sich schon in optimaler Positionmit bereits gewählten Einstellungen. Denn während des Wartens besteht Zeit, das Gebiet zu analysieren und die beste Sichtlinie, die Richtung des Lichts und auch mögliche Fluchtwege – sowohl für das Tier als auch für sich selbst – zu ermitteln.
Den Moment abpassen
Ein weiteres begehrtes Motiv ist das eines abhebenden Vogels. Ein Vogel, der seine Flügel ausbreitet und sich in die Lüfte emporsteigt, ist von ganz besonderer Anmut. Das Foto steht für Bewegung und Freiheit. Aber wie genau passt man einen solchen Moment ab, ohne die Situation zu manipulieren?
Der Flug, insbesondere der Start, ist körperlich anstrengend, sodass sich die meisten Vögel vor dem Abheben entlasten. Als Faustregel gilt, dass ein Vogel üblicherweise vor dem Start seinen Kot absetzt. Das Ausstoßen von überschüssigem Gewicht ist oft eine Vorstufe zum Abheben, also: Einstellungen wählen und auf den perfekten Moment warten!
Allgemeine unethische Verhaltensweisen
Eine der typischsten unethischen Verhaltensweisen in der Wildtierfotografie besteht darin, das Tier so zu provozieren, damit es den eigenen Wünschen nachkommt. Folgend eine Liste entsprechender Verhaltensweisen, die leider häufig praktiziert werden:
- Pfeifen
- Rufen
- In die Hände klatschen
- Den Motor aufheulen lassen
- Provozieren des Tieres, um eine aggressive Reaktion hervorzurufen
- Werfen von Gegenständen (ja, auch das gibt es)
- Nachspielen oder Nachahmen von Tierrufen
Da heutzutage jeder ein Handy hat, viele Gebiete über ein ausreichendes Netz verfügen und sich daher schnell das gewünschte Geräusch finden lässt, erweist sich der letzte Punkt als besonders problematisch. Gestoppt werden kann dieses Verhalten letztendlich nur durch einen selbst. Man bedenke: Ethik ist das, was Menschen tun, wenn keiner zuschaut.
Wenn die Grenze überschritten ist
Ein guter Fotograf weiß, wann genug ist. Selbst wenn sich das Tier gänzlich wohlzufühlen scheint, ist das kein Freifahrtscheindafür, so lange in seiner Nähe zu bleiben, bis das Verhalten umschlägt. In einer perfekten Welt sollte ein Fotograf die Aufnahme machen und weiterziehen, bevor er das natürliche Verhalten des Tieres beeinflusst. Auch hier geht es um Respekt und Wertschätzung.
Verhalten beobachten
Leider zeigt sich die Toleranz eines Tieres jedes Mal anders. Wichtig ist es, auf subtile Veränderungen im Verhalten des Tieres zu achten. Ein Muttertier mit Jungen, Raubtiere auf der Jagd, kranke oder verletzte Tiere haben alle eine geringere Toleranzschwelle. An manchen Tagen haben Tiere, genau wie wir, schlechte Tage und möchten am liebsten unter dem Radar und dem Rampenlichtfern bleiben...
Wenn das Tier sein Verhalten ändert, aggressiv wird oder versucht zu fliehen, ist dies ein sicheres Zeichen dafür, dass der Rückzug angetreten werden sollte. Und das sollte umgehend befolgt werden! Nicht nur aus ethischen Gründen, sondern auch, weil sich niemand einen Gefallen damit tut, ein Tier weiter zu belästigen. Im schlimmsten Fall wird das Tier Menschen stets mit Gefahr assoziieren, was ein erhebliches Hindernis für künftige Fotomöglichkeiten bedeutet.
Der Weg ist das Ziel
Bei einem großartigen Wildtierfoto ist nicht nur das Endprodukt selbst das Ziel. Es sind die Reise und die Erfahrungen, die zählen, und das zeigt sich oft schon im Foto selbst. Es ist ein Privileg, ein Tier in seinem natürlichen Lebensraum fotografieren zu können, und es liegt in unserer Verantwortung, diese Gelegenheit so lange wie möglich zu erhalten und das uns entgegengebrachte Vertrauen in gleicher Weise zurückzugeben.
Geduld, Verständnis, Einfühlungsvermögen und Respekt sollten die Eckpfeiler eines jeden Fotografen sein, und wenn man diese einfachen Grundsätze beachtet, wird die Natur uns belohnen – und traumhafte Fotos werden folgen.
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