Spielbetrachter von giraffe

Ethik im Wildtiertourismus

Ethische Wildtierbeobachtung

Die Beobachtung von Wildtieren in ihrem natürlichen Lebensraum ist eine der tiefgehendsten Erfahrungen, die ein Mensch machen kann. Wir leben in einer chaotischen Welt voller Regeln und Systeme. Eine Welt, die sich im Laufe der Jahre stark verändert hat.

Zeit in der Wildnis zu verbringen und diese mit ihren natürlichen Bewohnern zu teilen, ist eine ursprüngliche Erlebnis, das uns alle anspricht und das die Kraft besitzt, das Leben vieler zu verändern. Der Mensch neigt jedoch dazu, sich einfach zu nehmen, was er will, ohne Rücksicht auf die Folgen. Die natürliche Welt liegt im Sterben. Sie wird durch die unaufhaltsame Ausbreitung der Menschheit auf dem gesamten Globus zurückgedrängt. Die Gebiete, in denen sich Wildtiere frei umherbewegen können, werden zunehmend kleiner. Der Schutz dieser Areale und ihrer Bewohner ist damit höchstes Gebot.

Person die Elefanten betrachtet

Wildtiertourismus ist in aller Munde. So empfing der Kruger Nationalpark vor dem Beginn der COVID-19-Pandemie etwa 1 Million Menschen pro Jahr, die die reiche und vielfältige Tierwelt erleben wollen. Wie in vielen anderen Nationalparks sind auch im Kruger Nationalpark Selbstfahrerrouten möglich, die es Besuchern ermöglichen, die Wildnis auf eigene Faust und ohne Führung zu erkunden. Self-Drive-Safaris sind ein wirklich großartiges Erlebnis, aber wie alle großartigen Erlebnisse sind dieseauch mit einer großen Verantwortung verbunden.

Der Reiz der Natur lag schon immer in der Reinheit des instinktiven Verhaltens ihrer Bewohner. Freiheit ist etwas, das wir in der heutigen Zeit kaum noch haben, und es hat etwas Therapeutisches, die raue, rohe Einfachheit der Wildnis zu beobachten. Dafür brauchen wir eine Ethik. Es ist kein Vergnügen, die Reaktion eines Tieres auf menschliche Reize zu beobachten. Es führt zu einer leeren Erfahrung, die oft mit Bedauern und Schuldgefühlen darüber verbunden ist, dass die magische Unschuld des Augenblicks verloren gegangen ist.

Verlieren wir den Respekt vor Tieren, werden sie verschwinden. Von entscheidender Bedeutung ist es also, dass wir Menschen verstehen, wie man Wildtiere respektvoll beobachtet und behandelt. Alles hängt von der persönlichen Ethik ab: was man tut, wenn niemand hinsieht. Folgend eine Liste von Dingen, die bei der Wildtierbeobachtung beachtet werden sollten, um das bestmögliche Erlebnis zu erhalten:

1. Geeignete Positionierung des Fahrzeugs

Touristen müssen bedenken, dass ein Auto für ein Tier ein furchteinflößendes Objekt ist. Es ist laut, stinkt und scheint kein logisches Verhalten zu zeigen. Viele Menschen verlieren sich in der Aufregung, ein Tier auf der Straße zu erspähen, und rasen los, um möglichst dicht heranzukommen. Dies führt unweigerlich dazu, dass das Tier um sein Leben flieht und eine mögliche Sichtung ist verloren.

Langsame Annäherung an das Tier

Stattdessen sollte man versuchen, sich möglichst langsam zu nähern und das Verhalten des Tieres zu lesen. Es wird zu verstehen geben, wenn die Nähe zu groß ist! Die beste Methode ist, in einem respektablen Abstand anzuhalten, dem Tier zu erlauben, sich zu entspannen, und dann zu versuchen, sich zu nähern. Auf diese Weise können zumindest einige Fotos geschossen werden, bevor das Tier möglicherweise doch wieder die Flucht ergreift.

Das Ziel sollte immer sein, das natürliche Verhalten des Tieres zu beobachten, nicht das Verhalten, das durch menschliche Anwesenheit verursacht wird.

Wildbeobachter beobachten Büffel

Fluchtwege schaffen

Es mag militärisch klingen, ist aber der Schlüssel zum Verständnis einer der grundlegendsten Reaktionen des Tierreichs: Flucht oder Kampf. Alle Organismen sind auf das Überleben ausgerichtet, und das bedeutet, dass Körperkontakt ein Risiko darstellt. Glücklicherweise wird ein gestresstes Tier in den meisten Fällen eine Konfrontation vermeiden und fliehen. Wenn es jedoch keinen erkennbaren Fluchtweg gibt, ist die einzige Option der Angriff.

In den letzten Jahren gab es immer wieder Vorfälle in Wildschutzgebieten, bei denen ethische Grundsätze nicht richtig beachtet wurden und ein Tier bis zum Äußersten getrieben wurde. Bei kleineren Tieren kann dies zu erheblichen körperlichen Verletzungen führen.

Elefant nähert sich dem Spielbetrachter

Dies geschieht meist dann, wenn sie auf der panischen Suche nach einem Fluchtweg entweder blindlings in das Auto rennen oder sich ihren eigenen Weg durch gefährliches Gelände bahnen. Für die größeren, aggressiveren Tiere hingegen kann ein Kampf der bessere Weg sein. So manches Touristenfahrzeug ist schon einem rasenden Elefanten oder einem zänkischen Büffelbullen zum Opfer gefallen!

Wenn man dem Tier hingegen Raum gibt und ihm einen Fluchtweg lässt, lassen sich derartige Probleme vermeiden und ein natürliches und authentisches Beobachtungserlebnis ist möglich.

2. Das Tierverhalten verstehen

Dies ist vielleicht der wichtigste Aspekt, der bei der ethischen Beobachtung von Wildtieren zu berücksichtigen ist. Wenn man ein Tier versteht, kann man sein Verhalten und seine Bewegungen besser vorhersagen. Die Erfahrung ist dabei der beste Lehrmeister, aber auch der gesunde Menschenverstand spielt eine wichtige Rolle.

Soziale Strukturen

Um die Grenzen einer Gruppe von Tieren zu respektieren, ist es wichtig zu wissen, wie sie funktioniert. Die meisten Tiere fühlen sich in großen Gruppen sicher. Sie haben einen ausgeprägten Herdentrieb und viele bestehen aus miteinander verwandten Individuen.

Gepard auf Spielbetrachter

Es ist äußerst wichtig, diese Gruppen durch Anhalten des eigenen Fahrzeugs nicht aufzuteilen. Dies ist nicht nur eine Stresssituation für die Tiere, sondern kann regelrecht brenzlig werden, wenn eine Mutter und ihr Junges voneinander getrennt werden. Sich zwischen einem Elefantenkalb und seiner wütenden Mutter wiederzufinden, ist eine Situation, die um jeden Preis vermieden werden sollte!

Wichtig ist auch das Wissen darüber, dass viele Tiere mit Herdenmentalität stets dem Leittier folgen. Wenn ein einzelnes Tier die Straße überquert, ist es also gut möglich, dass noch weitere Tiere den Weg kreuzen. Verheerenden sind zudem die Folgen, wenn Touristen nicht damit rechnen, dass die Kleinen aus dem hohen Gras auftauchen, um ihre Mutter zu suchen. Tiere haben in einem Wildnisgebiet immer Vorfahrt!

»Das Geheimnis des Beobachtens liegt darin, still zu sein und zu warten, bis sich die Natur von selbst enthüllt.«
- Jane Goodall

Warnzeichen von Tieren

Wer das Verhalten von Tieren richtig deuten will, muss auch ihre Warnzeichen lesen lernen. Die Körpersprache ist in der menschlichen Gesellschaft von zentraler Bedeutung, aber noch wichtiger ist sie für den ethischen Tierbeobachter.

Viele dieser Anzeichen sind offensichtlich, wie z. B. das furchteinflößende, tiefe Knurren eines bedrohten Löwen oder das einschüchternde Gähnen eines Flusspferdbullen. Darüber hinaus gibt es unzählige subtile Anzeichen, die beobachtet werden können. Im Zweifelsfall geben die Augen eines Tieres Aufschluss. Die Augen sind das Fenster zur Seele, und wenn man sie aufmerksam beobachtet, kann man jede Aktion oder Reaktion erkennen, lange bevor sie passiert.

Reagiert ein Tier aggressiv, sobald man sich ihm nähert, heißt es: anhalten und die Situation auf sich beruhen lassen. Tiere, die an Fahrzeuge gewöhnt sind, entspannen sich schnell, wenn der Motor abgestellt wird, und nehmen ihr natürliches Verhalten wieder auf. Reagiert es jedoch weiterhin negativ auf menschliche Anwesenheit, sollte Abstand gewahrt werden! Das Tier wird zu verstehen geben, wenn eine akzeptable Entfernung erreicht ist. Denke daran, dass die Komfortdistanz eines jedes Tieres von Tag zu Tag anders ist. Wichtig ist, dies korrekt zu interpretieren und zu berücksichtigen.

3. Ethische Fotografie

Die meisten Touristen möchten ihr beeindruckendes Safarierlebnis mit Fotos verewigen. Die Natur ist und bleibt jedoch eigenwillig und so mancher Tourist hat eine Sichtung enttäuscht verlassen, weil kein gutes Bild zustande gekommen ist.

Geduld und Ethik sind zwei Eigenschaften, die jeder gute Wildtierfotograf im Überfluss haben sollte. Es ist inakzeptabel, ein Tier in seinem Verhalten zu manipulieren, nur um ein gutes Foto schießen zu können. Es sollte darum gehen, eine natürliche Szene einzufangen – und keine inszenierte.

4. Beobachtung in der Nacht

In einigen Reservaten sind Fahrten nach Einbruch der Dunkelheit erlaubt, sei es bei geführten Ausflügen oder bei Selbstfahrten. Das Fahren in der Wildnis im Schutz der Dunkelheit ist aufregend. Es ist nicht nur ein intensiveres Erlebnis, sondern bietet auch die beste Chance, die Raubtiere Afrikas bei ihrem heimlichen Treiben zu beobachten. Ethische Kompromisse sind dabei jedoch ein Muss.

Die meisten Nachtfahrten werden mit Scheinwerfern durchgeführt, um die sonst verborgenen Aktivitäten der nächtlichen Bewohner zu beleuchten. Dies ist einerseits ein großartiges Werkzeug, muss aber mit großer ethischer Sorgfalt gehandhabt werden.

Die folgenden Regeln gelten als wesentlich für die Verwendung von Scheinwerfern:

  • Niemals auf tagaktive Tiere leuchten (tagsüber)
  • Niemals direkt in die Augen eines Tieres leuchten
  • Niemals Raubtier oder Beute während der Jagd beleuchten
  • Niemals auf Jungtiere leuchten, insbesondere wenn keine erwachsenen Tiere anwesend sind

5. Ethik – eine Zusammenfassung

Ethik ist das, was man tut, wenn niemand zuschaut. Es geht nicht nur darum, dem betreffenden Tier Respekt zu erweisen, sondern auch darum, alle Aspekte der Natur zu würdigen. Wir alle sind Gäste von Mutter Natur, und sie verdient es, dass man ihr mit Rücksicht und Demut begegnet. Selbst so einfache Dinge wie das leise Sprechen bei einer Sichtung, das Aufsammeln von Müll oder das Zurücklegen eines Steins an den Ort, an dem man ihn gefunden hat, tragen viel dazu bei, unsere Beziehung zur Natur zu stärken.

Natürliches Verhalten in natürlicher Umgebung zu beobachten ist ein Privileg, und es liegt in unserer Verantwortung, dieses zu wahren. Nicht nur für unsere Kinder, sondern für die Zukunft der Erde selbst. Wenn jeder für sich die Entscheidung trifft, ethisch zu handeln, wird die natürliche Umgebung gedeihen. Und der beste Weg, dies zu fördern, ist, mit gutem Beispiel voranzugehen.

Um ein afrikanisches Sprichwort zu zitieren: "Wenn du denkst, du bist zu klein, um etwas zu bewirken, hast du noch keine Nacht mit einer Mücke verbracht."

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